Agatha Christie und das Geheimnis ihres Erfolgs
Agatha Christie – wo fand Sie Ihre Inspiration
Die berühmte britische Schriftstellerin Agatha Christie war zweifellos eine Meisterin der Spannung, eine Virtuosin der Verdächtigen und eine Grande Dame der Geheimnisse.
Berühmt für ihre erfindungsreichen Mordgeschichten, schuf sie ein literarisches Vermächtnis, das sie zur meistverkauften Romanautorin aller Zeiten machte.
Doch das Auffälligste an Christies Schreibprozess war vielleicht nicht die Menge an Werken, die sie produzierte, sondern der außergewöhnliche Ort, an dem sie ihre Inspiration fand: die Badewanne.
Die Badewanne als Inspirationsort
Im Jahr 1966 erzählte Agatha Christie der New York Times in einem bemerkenswerten Interview, dass sie ihre Inspiration hauptsächlich aus der Badewanne bezog. Man könnte sogar sagen, dass sie ihre berühmtesten Mordgeschichten aus den Tiefen des Badeschaums fischte.
Doch nicht irgendeine Badewanne konnte Christies kreatives Feuer entfachen. Sie bestand darauf, dass es altmodische Badewannen sein mussten. Sie mochte die neuen Modelle nicht, weil sie zu glitschig waren und keine Ablageflächen für Stift und Papier boten.
Diese Vorliebe für altmodische Badewannen spiegelte sich in einigen ihrer berühmtesten Charaktere wider, darunter der berühmte Detektiv Hercule Poirot. Im Roman „Der Böse unter der Sonne“ zeigt Poirot eine große Vorliebe für ausgedehnte Bäder, was vielleicht ein Spiegelbild von Christies eigener Vorliebe war.
Die Zeit, die Christie in der Badewanne verbrachte, war ein integraler Bestandteil ihres Schreibprozesses. Es war nicht einfach nur eine Entspannungstechnik oder ein Mittel, um einen langen Tag abzuschütteln. Sie nutzte diese Momente der Ruhe und Isolation, um ihre Gedanken zu sammeln, Ideen zu entwickeln und ihre Geschichten zu formen.
Doch Christie war nicht der Typ, der jeden Gedanken sofort aufschrieb. Nein, kein einziges Wort wurde zu Papier gebracht, bis sie die komplette Geschichte in ihrem Kopf konstruiert hatte.
Christie war nicht nur in der Badewanne kreativ. Ideen für ihre Geschichten kamen ihr von überall. Die Inspiration war so allgegenwärtig wie die Luft, die sie atmete, oder das Wasser in ihrer geliebten Badewanne.
Sie kam ihr, während sie gemütlich in einem Teehaus saß, wie es der Fall bei „Ein gefährlicher Gegner“ war, wo sie Gespräche anderer Besucher belauschte. Sie traf sie unerwartet während einer Zugfahrt, was zur Idee von „Ein Schritt ins Leere“ führte.
Selbst die alltägliche Zeitungslektüre konnte der Funke sein, der das Feuer einer neuen Geschichte entfachte.
Christies Quellen der Inspiration waren tatsächlich überall.
Christie war nicht nur eine geniale Autorin, sie war auch eine Meisterin darin, aus dem Nichts Ideen für ihre Geschichten zu sammeln.
Sie verstand es, Inspiration aus den alltäglichsten und unscheinbarsten Situationen zu ziehen und sie in die komplexesten und fesselndsten Mordgeschichten zu verwandeln. Sobald sie eine Idee hatte, begann sie damit, den Mord zu konstruieren.
Sie arbeitete zuerst an der Art des Mordes und entwarf dann den Charakter des Mörders und sein Motiv.
Zuerst muss der Mörder und das Mordmotiv entworfen werden
Christies kreativer Prozess endete hier jedoch nicht. Nachdem sie den Mörder und das Mordmotiv entworfen hatte, ging sie weiter und entwickelte die anderen Verdächtigen und ihre Motive. Sie streute Hinweise und Ablenkungsmanöver ein, um ihre Leser auf falsche Fährten zu führen und die Spannung bis zum unvermeidlichen und oft überraschenden Ende aufrechtzuerhalten.
Christies Mordgeschichten sind kein passives Leseerlebnis; sie fordern den Leser auf, neben den Charakteren im Buch zu ermitteln. Mit jeder Seite, mit jedem Kapitel, gibt es neue Hinweise, falsche Fährten und verschlungene Pfade, die der Leser navigieren muss. Doch Christie ist keine hinterlistige Erzählerin, sie spielt fair. Sie hält keine wichtigen Informationen zurück, sie präsentiert alle Details, die der Leser braucht, um den Fall zu lösen.
Im Gegensatz zu anderen Krimischriftstellern, die ihren Lesern manchmal entscheidende Details vorenthalten, bleibt Christie stets transparent. Die Identität des Mörders und die Hinweise sind immer greifbar, eine clevere Anordnung von Puzzlestücken, die nur darauf warten, zusammengesetzt zu werden.
Doch wie hat Agatha Christie diese meisterhaft konstruierten Kriminalgeschichten erschaffen?
Die Antwort findet sich in sorgfältig beschrifteten Notizbüchern. Christie war eine notorische Notizbuchnutzerin; sie schrieb ständig Dinge auf, oft so viele auf einmal, dass sie nicht mehr wusste, wo sie was niedergeschrieben hatte. Es war, als ob sie in einem ständigen Zustand des kreativen Flusses war, bereit, jede flüchtige Idee festzuhalten, die ihr durch den Kopf schwirrte.
Nach ihrem Tod im Jahr 1976 wurden insgesamt 73 Notizbücher in ihrem Besitz gefunden. In diesen Büchern fanden sich skizzierte Handlungsstränge, die sie gerne wiederverwendete, und Notizen über Charaktere, denen sie scheinbar weniger Aufmerksamkeit schenkte. Doch auch wenn die Charakterentwicklung auf den ersten Blick nicht im Vordergrund zu stehen schien, so bewies doch jede ihrer Geschichten, dass sie ein unfehlbares Gespür für die psychologischen Feinheiten ihrer Figuren hatte.
Christie konnte überall schreiben
Trotz ihrer beeindruckenden Produktivität und ihrer unbestreitbaren Genialität, war der Schreibprozess für Agatha Christie oft eine Qual. „Man sitzt in einem Raum, kaut auf Bleistiften herum und starrt auf eine Schreibmaschine“, gab sie einmal zu.
Diese Beschreibung mag auf den ersten Blick düster wirken, sie vermittelt jedoch auch eine intensive Authentizität und ein starkes Engagement für die Kunst des Schreibens.
Christie war nicht auf ein spezielles Arbeitszimmer angewiesen, um zu schreiben. Sie konnte überall schreiben. Alles, was sie brauchte, war eine tragbare Schreibmaschine und eine feste Arbeitsfläche – mehr nicht.
Ein Waschtisch, ein Esstisch, es machte ihr nichts aus, wo sie schrieb, solange sie es tat.
Ihre Freunde bemerkten nie, wenn sie an einem neuen Werk arbeitete, da sie sie nie dabei sahen. Christie verglich sich selbst mit einem Hund, der sich mit einem Knochen zurückzieht. Sie empfand es als peinlich, schreiben zu wollen und brauchte Einsamkeit, um in die Tiefe ihrer Geschichten eintauchen zu können. Nur wenn sie sich zurückziehen und die Tür schließen konnte, konnte sie Vollgas geben und sich in ihren Gedanken verlieren.
Christie verfasste ihre Manuskripte ursprünglich handschriftlich und tippte dann alles selbst ab. Dieser Prozess erlaubte es ihr, sich auf die Geschichte zu konzentrieren und in die Erzählung einzutauchen. Später nutzte sie ein Diktiergerät, was ihr jedoch gar nicht gefiel. Sie fühlte, dass ihre Stimme nicht genug Ausdruck brachte, um die Nuancen und den Ton ihrer Geschichten angemessen zu vermitteln.
Geboren am 15. September 1890 im britischen Torquay, war Agatha Christie das jüngste von drei Kindern. Sie war ein lebhaftes und intelligentes Mädchen, das die Welt um sich herum mit neugierigen Augen betrachtete.
Mit fünf Jahren brachte sie sich selbst das Lesen bei, eine beeindruckende Leistung für ein Kind dieses Alters. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern und Geschichten. Obwohl sie erst mit 16 Jahren formell zur Schule ging, war Christie zu diesem Zeitpunkt bereits eine leidenschaftliche und weitgehend autodidaktische Leserin.
Ihr natürlicher Eifer und ihre Lernbereitschaft bildeten den Grundstein für die außerordentliche Kreativität, die sie später entfalten sollte.
Mit 11 das erste Gedicht
Im Alter von 11 Jahren entdeckte Christie ihre Leidenschaft für das Schreiben. Ihr erstes Gedicht, eine bemerkenswerte Leistung für ein so junges Kind, wurde in der Lokalzeitung veröffentlicht. Dieser erste Geschmack von Anerkennung ließ einen Funken in ihr aufleuchten.
Sie begann, sich intensiver mit dem Schreiben auseinanderzusetzen und schrieb als Teenager mehrere Kurzgeschichten.
Trotz dieser Erfahrungen zögerte Christie, sich als Autorin zu betrachten. Sie sah ihre Geschichten und Gedichte eher als persönliche Ausdrucksformen und weniger als beruflichen Weg. Die Schriftstellerei war für sie zu diesem Zeitpunkt noch kein offensichtlicher Karriereweg, sie war lediglich ein talentiertes Mädchen, das ihren Gefühlen und Gedanken durch Worte Ausdruck verlieh.
Die entscheidende Wende in Christies Leben kam durch eine unerwartete Herausforderung. Ihre ältere Schwester, Madge, behauptete, dass es unglaublich schwierig sei, einen Kriminalroman zu schreiben. Christie, die immer nach Wegen suchte, um ihre Fähigkeiten zu beweisen, nahm die Herausforderung an. Sie war entschlossen, ihrer Schwester zu zeigen, dass sie in der Lage war, ein überzeugendes und spannendes Rätsel zu konstruieren.
Es war diese unerwartete Herausforderung, die Christie dazu brachte, ihren ersten Kriminalroman zu schreiben. Der Roman, „Das fehlende Glied in der Kette“ (The Mysterious Affair at Styles), markiert die Geburt von Hercule Poirot, einem ihrer berühmtesten Charaktere. Christies geschickte Handhabung von Rätseln, Hinweisen und roten Heringen revolutionierte das Genre und legte den Grundstein für ihre erfolgreiche Karriere als Krimiautorin.
Trotz ihres frühen und durchschlagenden Erfolgs mit ihren Kriminalromanen widerstand Christie der Idee, dass sie eine professionelle Schriftstellerin sei. Selbst nach dem Release von vielen Büchern betrachtete sie sich oft als normale verheiratete Frau.
Sie sah das Schreiben immer noch als etwas an, das sie liebte und genoss, aber nicht als ihre Hauptidentität oder Berufung.
Arbeit als Pharmazeutische Assistentin prägend
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, war sie bereits eine junge Frau und fühlte eine tiefe Pflicht, ihren Beitrag zu leisten. Sie meldete sich freiwillig zur Krankenpflege und verbrachte viel Zeit in einem Feldlazarett.
Christies Erfahrungen im Lazarett bildeten eine Grundlage für ihre anschließende Arbeit in der Apotheke. Nach ihrer Zeit als Krankenschwester wechselte sie den Beruf und wurde pharmazeutische Assistentin.
Hier hatte sie vor allem mit Giften zu tun, was ihr einen Einblick in eine Welt gab, die für die meisten Menschen geheimnisvoll und unergründlich war.
Die Gifte, mit denen sie arbeitete, waren potentiell tödlich, und doch waren sie in den richtigen Händen von unschätzbarem Wert. Diese Dualität – das Potenzial für Heilung und Schaden – faszinierte Christie. Sie studierte eifrig die verschiedenen Substanzen, ihre Wirkungen und Antidote. Dieses Wissen sollte in ihren Geschichten eine zentrale Rolle spielen.
In Agatha Christies Romanen wurden mehr als 80 Charaktere durch Gifte getötet – ein bemerkenswertes Zeugnis für die Wirkung, die ihre Zeit in der Apotheke auf ihre Schreibkarriere hatte. Von Cyanid bis Digitalis, von Arsen bis Strichnin, ihre Geschichten sind eine düstere und faszinierende Studie über die Macht und Gefahr dieser tödlichen Substanzen.
Ihr erster Roman, „Das fehlende Glied in der Kette“, wurde 1920 veröffentlicht. Hier verwendete Christie zum ersten Mal Gift als Mordmethode – ein Vorzeichen für das, was kommen sollte. Doch trotz der positiven Kritiken war der kommerzielle Erfolg zunächst bescheiden.
Es dauerte weitere sechs Jahre, bis Christie ihren Durchbruch feiern konnte. Mit „Alibi“, das 1926 erschien.
Von da an veröffentlichte sie insgesamt 66 Kriminalromane und 14 Sammlungen von Kurzgeschichten. Abseits ihrer Kriminalromane fand Christie auch Zeit, eine Autobiografie zu schreiben und ihre Reiseerinnerungen niederzuschreiben. Zudem schrieb sie 16 Theaterstücke.
Liebesromane unter Pseudonym
Interessanterweise fühlte sich Christie nicht nur zur Kriminalliteratur hingezogen. Unter dem Pseudonym Mary Westmacott schrieb sie insgesamt sechs Liebesromane. Diese Bücher waren ein großer Unterschied zu ihren Kriminalromanen, sowohl in Bezug auf den Stil als auch auf die Themen. Sie gab Christie die Möglichkeit, ihre schriftstellerischen Fähigkeiten zu erweitern und eine andere Seite ihrer Persönlichkeit zu erkunden.
Erst 1949 wurde das Geheimnis um Mary Westmacott von einer Journalistin gelüftet.
Als Agatha Christie sich daran machte, „Verdrängter Verdacht“ zu schreiben, konnte sie nicht ahnen, dass es das Buch werden würde, das sie am meisten zufriedenstellte. Nur in drei Tagen fertiggestellt, stand es wie ein Leuchtfeuer in der Chronologie ihrer Werke und zeugte von ihrer unübertroffenen Fähigkeit, Spannung und Rätsel zu weben. Christie selbst hat zwar keine Anleitung für Tipps zum Schreiben gegeben, doch ihre Romanfigur Ariadne Oliver, die sie in „Wiedersehen mit Mrs. Oliver“ zum Leben erweckt hat, gab wertvolle Hinweise – und wer könnte besser Ratschläge geben als die Meisterin des Krimis selbst?
Tipps zum Schreiben von Christie
Ariadne Oliver rät, über das zu schreiben, was man kennt. Dieser Rat, der im Kern so einfach klingt, birgt eine tiefe Wahrheit, die für alle Schriftsteller wertvoll ist. Christie selbst hat diese Weisheit in ihrem Werk immer wieder zur Schau gestellt. Ihre Charaktere, die Orte, an denen ihre Geschichten spielen, und die mysteriösen Rätsel, die sie entwirft, basieren alle auf ihren eigenen Erfahrungen und Kenntnissen.
Das Schreiben über das Bekannte schafft eine solide Grundlage, auf der die erstaunlichsten Geschichten entstehen können. Es hilft, Authentizität und Glaubwürdigkeit zu verleihen, die die Leser in die Geschichte hineinzieht und sie Seite für Seite umblättern lässt.
Wenn die Geschichte zu langweilig wird, rät Ariadne Oliver, so viele Leichen wie möglich hinzuzufügen. Das klingt auf den ersten Blick makaber, doch in Wahrheit offenbart es die faszinierende Anziehungskraft, die das Mysterium des Todes auf uns ausübt.
Christie wusste, dass alle Menschen Blut gut finden, unauffindbare Gifte und mysteriöse Polizeiinspektoren. Diese Elemente fügen eine Dimension von Gefahr und Aufregung hinzu, die das Interesse der Leser weckt und sie dazu bringt, weiterzulesen, um das Rätsel zu lösen. Jede Leiche in Christies Geschichten ist ein neues Geheimnis, ein neues Rätsel, das gelöst werden muss, und dies hat sicherlich zu ihrer enormen Popularität beigetragen.
Eine der auffälligsten Lektionen, die wir aus Christies Schreiben lernen können, ist, dass man sich nicht zu sehr um Genauigkeit und Realität kümmern sollte. Manchmal kann das Hinzufügen eines Elements des Fantastischen oder Unglaublichen einer Geschichte eine ganz neue Dimension verleihen und sie noch spannender und fesselnder machen.
Christie selbst hat dieses Prinzip in ihrem Schreiben immer wieder angewendet.
Viele ihrer Mordmethoden und Auflösungen sind so ausgefallen und unglaublich, dass sie in der realen Welt kaum vorstellbar sind.
Aber genau das hat ihre Geschichten so einzigartig und unvergesslich gemacht.