Edward Thomas – wo hat er seine Bücher geschrieben
Das Bienenhaus auf dem Hügel – Edward Thomas
Edward Thomas, ein Dichter, dessen Bedeutung von keinem Geringeren als Ted Hughes als grundlegend für das moderne Dichten anerkannt wurde.
Hughes beschrieb Thomas gar als „Vater aller Dichter“. Doch wer war dieser Mann, dessen eigene Karriere erst spät begann und viel zu früh endete?
Die Reise beginnt im Jahr 1914, in einem kleinen, strohgedeckten Häuschen auf einem Hügel, liebevoll „Bee House“ genannt.
Hier, auf der Spitze eines Hügels, mit einer atemberaubenden Aussicht, schrieb Edward Thomas seine ersten Gedichte.
In dieser idyllischen Umgebung, umgeben von der natürlichen Schönheit und den summenden Bienen, fand er die Inspiration und den Frieden, die seine kreative Stimme erweckten.
Das Bee House war mehr als nur ein malerisches Häuschen auf dem Hügel.
Eigentlich wurde es vom Besitzer, einem Architekten, für seine Bienen errichtet.
Doch der Architekt, der die künstlerischen Bemühungen von Thomas erkannte, schuf innerhalb dieses Hauses ein Arbeitszimmer extra für den Dichter.
An heißen Tagen wurde das Schreiben in diesem Raum zu einem sinnlichen Erlebnis.
Das sanfte Summen der Bienen, der Duft von Wachs und wilden Blumen und sogar der süße Geruch von Honig vermischten sich zu einem Potpourri, das die Sinne belebte und die Fantasie anregte.
Extrem produktiver Schriftsteller
Bevor Thomas als Dichter bekannt wurde, war er ein extrem produktiver Schriftsteller. Zwischen 1900 und 1914 schrieb er unglaubliche 1200 Bücher. Mit über einer Million Wörter ist dies eine Leistung, die nur wenige Autoren erreichen.
Sein Beitrag zur Literatur blieb jedoch nicht auf sein eigenes Schreiben beschränkt.
Zu Beginn seiner Karriere war Thomas vor allem als Literaturkritiker bekannt. Mit scharfem Auge und profundem Verständnis für das geschriebene Wort erkannte er früh das Talent von zeitgenössischen Dichtern.
Einer von ihnen war WH Davies, dessen Arbeiten er besonders bewunderte.
Thomas‘ eigene Talente als Dichter sollten jedoch noch einige Jahre verborgen bleiben. Obwohl er bereits ein profunder Schriftsteller und Kritiker war, fing er erst im Alter von 36 Jahren an, seine ersten Gedichte zu schreiben.
Von 1914 bis 1917 verfasste er insgesamt 142 Gedichte – eine bemerkenswerte Leistung, angesichts der kurzen Zeitspanne.
Die Geschichte von Edward Thomas ist jedoch nicht nur eine der Spätreife und kreativen Explosionen, sondern auch eine der Tragik. Im Jahr 1917, mitten in seiner kreativen Blütezeit, fiel Thomas als Soldat während des Ersten Weltkriegs in Frankreich.
Die Veröffentlichung seiner Gedichte unter seinem eigenen Namen erlebte er nicht mehr.
Die Anfänge im Bee House
Es war das Jahr 1909, als Thomas im stillen Raum des Bee Houses mit dem Schreiben von Prosa begann. Das Bee House, ein schlichtes, bescheidenes Heim, wurde zu seiner Zuflucht und seinem Schreibheiligtum.
In der friedlichen Ruhe, die nur die Natur zu bieten hatte, suchte und fand er seine Inspiration.
Thomas‘ Studienjahre waren gekennzeichnet von einer innigen Sehnsucht nach literarischer Freiheit. Mit zunehmender Frustration über die mühsame „Hackarbeit“, die er verrichten musste, um seine Familie zu ernähren, wuchs in ihm die Überzeugung, dass er als freiberuflicher Schriftsteller tätig sein wollte.
Es war eine riskante, aber reizvolle Idee, die seine kreative Seele ansprach und ihm Hoffnung auf ein freieres Leben gab.
Nichtsdestotrotz war Thomas‘ literarischer Weg kein Zuckerschlecken.
Oft war er von Überarbeitung gezeichnet und erschöpft, und Depressionen kamen und gingen wie dunkle Wolken, die seinen Geist bedeckten.
Diese Phase seiner inneren Kämpfe prägte später sein Leben und beeinflusste sein Schreiben auf tiefgreifende Weise.
Thomas und seine Frau waren Nomaden in ihrer eigenen Art und Weise. Sie mieteten oft Hütten und Häuser, auf der Suche nach einer Umgebung, die ihre kreativen Seelen nährte und inspirierte. Jedes Haus war eine neue Geschichte, ein neues Kapitel in ihrem gemeinsamen Leben.
Eines Tages wurde ihnen von dem renommierten Architekten Geoffrey Luton ein ungewöhnliches Angebot gemacht: Er wollte ein Haus im Stil von William Morris einrichten. Thomas und seine Frau nahmen das Angebot an und ließen sich auf das Abenteuer ein, ein Haus im Stil des berühmten Künstlers zu bewohnen.
Eine Sache jedoch stand für Thomas fest: Er wollte ein getrenntes Arbeitszimmer vom Haupthaus haben. 1909 wurde sein Wunsch erfüllt, als sein Arbeitszimmer im Bee House fertiggestellt wurde. Hier hatte er endlich den Raum, den er so dringend benötigte, um seine Gedanken zu sammeln und seine Geschichten zu erzählen.
Jedoch liebten Thomas und seine Frau das neue Haus nicht. Es lag auf einem Hügel und bot keinen Schutz vor den Launen von Wind und Wetter. Thomas sprach davon, wie der Wind und der Regen den ganzen Tag und die ganze Nacht an allen Fenstern klopften. Er gab zu, dass er von da an vom Wetter besessen war.
Diese Obsession führte dazu, dass Thomas 1915 sein Gedicht „Wind und Nebel“ schrieb. Es war seine Verarbeitung der Gefühle, die das Haus in ihm auslöste. Das Bee House, das noch stärker den Elementen ausgesetzt war, bot ihm paradoxerweise sowohl Komfort als auch Unbehagen.
Im Bee House fand Thomas in seinem kleinen Raum Trost. Er verbrannte Holzspäne im Kamin, die er aus der Werkstatt des Architekten geholt hatte. Der warme Schein des Feuers und der Duft des verbrennenden Holzes machten den Raum gemütlich und einladend.
In der Werkstatt baute sich Thomas einen Arbeitstisch und Bücherregale für seine geliebten Bücher. Es war sein persönliches Paradies, ein Raum, der seiner Kreativität und seinem literarischen Genie gewidmet war.
Draußen, vor der Tür des Bee House, pflanzte Thomas Kräuter wie Rosmarin. Dieses kleine Stück Natur bot ihm einen Ausgleich zur intensiven Arbeit in der Werkstatt und im Schreibraum. Es war ein Zeichen seiner Liebe zur Natur und seiner Bestrebungen, einen harmonischen Raum zu schaffen, der sowohl seinen Geist als auch seine Seele nährte.
In den Jahren 1910 bis 1913 stellte sich Thomas einer erstaunlichen Aufgabe: Er verpflichtete sich, neun Bücher zu schreiben. Diese Herausforderung, die er sich selbst auferlegt hatte, stellte eine beispiellose Anstrengung und Konzentration dar, die sein gesamtes Leben zu bestimmen begann.
Die Tätigkeit in seinem Schreibrefugium, dem Bee House, war rege. Hier schrieb Thomas von morgens bis abends, der Klang der Feder auf dem Papier war wie das Summen fleißiger Bienen, unermüdlich arbeitend, um die süße Nektar des Wissens und der Geschichten zu gewinnen. Er ertrank im Meer der Wörter, seine Gedanken sprudelten in die Seiten hinein, und er verlor sich in dem Strudel von Handlungen, Charakteren und Landschaften, die er erschuf.
Fluch und Segen zugleich
Doch dieses stetige Schreiben hatte seinen Preis. Thomas fühlte sich depressiv und gefangen, überwältigt von Klaustrophobie. Die vier Wände des Bee House begannen auf ihn zu drücken, seine Gedanken wurden von der Decke erdrückt und er sehnte sich nach dem Freiraum, der das Leben außerhalb seines Schreibhauses darstellte. Er brauchte kreativen Freiraum, frische Luft, um neue Ideen zu sammeln und zu formen.
Also begann Thomas, den Großteil des Jahres außerhalb des Hauses zu verbringen. Unter anderem reiste er nach Wales, in denselben Ort, in dem der berühmte Dylan Thomas seine Zuflucht gefunden hatte. Dort, in den grünen Tälern und an den wilden Küsten, fand Thomas die Freiheit, die ihm sein Bee House verwehrte. Mit jedem tiefen Atemzug der salzigen Meeresluft oder dem süßen Duft des Grases schöpfte er Inspiration und Energie.
In diesen fremden Gefilden entdeckte Thomas, dass er wieder schreiben konnte. Die Wörter flossen frei und wild wie der Wind über die Hügel von Wales. Er füllte Seiten nach Seiten mit Geschichten, Gedanken, Gefühlen und Träumen. Es war, als wäre eine Schleuse geöffnet worden und eine Flut von Kreativität würde alles in seinem Weg mitreißen.
1913 entschied sich Thomas, den Hügel hinunter in eine andere Hütte zu ziehen. Dennoch behielt er sein Arbeitszimmer im Bee House. Jeden Morgen kletterte er den Hügel hinauf zu dem Ort, der ihn sowohl gefangen hielt als auch befreite.
Er kam mittags zum Essen hinunter, bevor er sich erneut in das Bienenhaus zurückzog, um seine Worte und Gedanken auf Papier zu bringen.
In diesem Jahr begann Thomas auch mit dem Experimentieren von Gedichten, aber anfangs lief es nicht gut. Die Form und Struktur der Poesie widerstrebten ihm, die Worte passten nicht in die vorgegebenen Muster, und er fühlte sich erneut eingesperrt, als ob er versuchte, seine grenzenlose Kreativität in ein zu enges Korsett zu pressen.
Seine Begegnung mit Frost
Es war eine Begegnung mit dem berühmten Dichter Robert Frost, die schließlich alles änderte. Frost riet ihm, seine Gedichte in Prosaform in Versform zu schreiben. Es war, als hätte jemand einen Schalter umgelegt in Thomas‘ Kopf, und plötzlich passten die Worte, die er so lange zu zähmen versucht hatte, in den fließenden Rhythmus der Poesie.
1914, im Herzen des Bee House, entstanden seine ersten Gedichte. In dem Raum, der ihn einst in Klaustrophobie gefangen hielt, konnte Thomas nun seine Gedanken und Gefühle in elegante, kraftvolle Verse formen. Innerhalb von drei Monaten verfasste er 33 Gedichte, ein beeindruckendes Zeugnis seiner Kreativität und seines Talents.
Als die Welt im Jahre 1915 in den Schrecken des Ersten Weltkrieges versank, fand sich Thomas in der grausamen Uniform eines Soldaten wieder. Die raue Struktur des Stoffes war so fremd wie die kalte, unbarmherzige Realität des Krieges, der ihn seiner geliebten Ruhe und seinen Schreibfedern beraubt hatte.
Dieser Krieg, mit seinen rostigen Waffen und zerrissenen Seelen, war ein Ort, an dem Poesie und Literatur vergeblich nach einer Nische in den Herzen der Menschen suchten. Aber Thomas, unerschütterlich und ungebändigt in seinem Streben nach dem Wort, trug seinen Kampf nicht nur auf den Schlachtfeldern aus, sondern auch auf den Seiten seines Tagebuches, das in seiner Manteltasche sicher verstaut war.
Jedes Mal, wenn Thomas vom Frontdienst beurlaubt wurde, fand er Zuflucht im Bee House. Es war sein sicherer Hafen, ein heiliger Ort für ihn, an dem die Einsamkeit einen süßen, seelischen Nektar absonderte. Es war ein Ort, an dem der Lärm des Krieges von der Symphonie des Schweigens überwältigt wurde.
Im Bee House fand Thomas die nötige Ruhe, um seine Worte zu ordnen und seine Gedanken niederzuschreiben. Jede freie Minute, die er dort verbrachte, nutzte er, um weiterzuschreiben, seine Gefühle in Lyrik zu gießen und seine Erfahrungen in Prosa zu fassen. Seine Feder tanzte über das Papier, jede Zeile war ein tapferer Widerstand gegen das Chaos der Welt außerhalb.
Versprechen und Verrat
Doch die Idylle des Bee House wurde durch die Intervention des Architekten Lupton gestört. Lupton, der Besitzer des Bee House, hatte das Haus von Anfang an Thomas zur Verfügung gestellt, unter der Bedingung, dass er es so lange als Arbeitszimmer nutzen konnte, wie er wollte. Doch nun verlangte Lupton, dass alle Habseligkeiten von Thomas aus dem Bee House entfernt werden sollten. Er brauchte das Haus für eine Frau.
Diese plötzliche Anforderung entfachte ein Feuer des Protests in der Brust von Helen, Thomas‘ treuer und liebevoller Frau. Sie war es, die das Herz ihres Mannes in den Zeilen seiner Manuskripte las, die sein Leid im Krieg erkannte und die Bedeutung, die das Bee House für ihn hatte.
Helen war eine Frau von bemerkenswerter Stärke und Standhaftigkeit. Sie protestierte energisch gegen Luptons Forderung, indem sie darauf hinwies, dass Lupton seinem Versprechen untreu geworden war. Für Thomas war das Bee House mehr als nur ein Arbeitszimmer, es war sein Heiligtum, sein Zufluchtsort, ein Ort, an dem er zwischen seinen Büchern in Frieden verweilen konnte.
Ihr Protest war kraftvoll und aufrichtig, doch trotz ihrer Leidenschaft und Entschlossenheit war es Helen nicht möglich, Lupton umzustimmen. Es war ein Kampf, den sie nicht gewinnen konnte, eine Schlacht, die sie nicht gewinnen durfte – genau wie ihr Mann auf dem Schlachtfeld Frankreichs.